Ceterum censeo corruptionem esse delendam 1)
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Landrat Horst Schnur und ein brisantes Strafverfahren wegen des Verdachts der Unterschlagung und Urkundenunterdrückung (1)

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§ 246 StGB Unterschlagung (1) Wer eine fremde bewegliche Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zueignet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft... (3) Der Versuch ist strafbar.
§ 274 StGB Urkundenunterdrückung (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Urkunde ... welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen ... unterdrückt ...(3) Der Versuch ist strafbar


Tod zweier Polizisten

Am 28. August 2001 wird in einem Waldstück auf halber Strecke zwischen Michelstadt im Odenwald und Amorbach am Main ein 54 Jahre alter Mann erschossen gefunden. Offenbar handelte es sich um Selbstmord. Der Tote ist nicht irgendwer, sondern der stellvertretende Leiter der Kriminalpolizei des Odenwaldkreises, Kriminalhauptkommissar K.
Nur wenige Kilometer entfernt, ebenfalls in einem Waldstück, hatte im Juli 1980 der damals stellvertretende Leiter der Odenwälder Polizei Selbstmord begangen, Polizeihauptkommissar Georg F.
Bei ihm war der Hintergrund bekannt: Gegen den als korrekt bekannten Beamten wurde eine Rufmordkampagne geführt, weil er dienstliche Verfehlungen des ihm vorgesetzten Polizeichefs nicht mitmachen und nicht vertuschen wollte. Dieser stand wegen Verwahrungsbruch in Tateinheit mit Betrug und Urkundenunterdrückung vor dem Landgericht Darmstadt, wo sein zuvor mit den Ermittlungen beauftragter Stellvertreter gegen ihn aussagte - wahrheitsgemäß.

Ein brisantes Strafverfahren

Wie es der Zufall wollte, war auch der im August 2001 erschossen aufgefundene Kriminalkommissar vor seinem Tod mit brisanten Ermittlungen "im Hause" beauftragt:
In einem wegen des Verdachts der Unterschlagung und Urkundenunterdrückung geführten Strafverfahren u.a. gegen den Leiter einer örtlichen Behörde war laut dessen eigener Aussage ein "ungeheuerlicher Vorwurf" zu klären:
Hatten Amtspersonen im Rahmen einer Nachlassangelegenheit mehrere Tausend DM unterschlagen, einer dritten Person widerrechtlich zugeeignet und zu diesem Zweck auch eine Urkundenunterdrückung begangen? Wurde so das Vertrauen eines Mannes missbraucht, der als Miterbe und Miteigentümer in einer besonderen Situation und im Glauben an behördliche Korrektheit diesen Amtspersonen einen unkontrollierten Zugang zu seinem Elternhaus und zur Wohnung seines verstorbenen Vaters gewährt hatte?
Obwohl für die Staatsanwaltschaft Darmstadt zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorlagen, auch noch 14 Monate (!) nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens, sah Landrat Schnur als Dienstvorgesetzter zu keinem Zeitpunkt eine Veranlassung für ein eigenes Tätigwerden.
"Reaktionen auf die Vorwürfe hielt man für nicht geboten, um die Sache nicht unnötigen Wert beizumessen", verlautete aus der Behörde.

Eine Frage von Ansehen und Ehre

Intern war man sich jedoch "der Brisanz des Vorwurfes" bewusst. Eine "schwere Beschädigung des Ansehens der beteiligten Personen, der Behörde und des Gerichtes" drohte und offenbar gab es "im Hause" bzw. im Landratsamt unterschiedliche Meinungen, wie "der Sache die Brisanz zu nehmen" sei.
Anscheinend setzte sich der vorgesetzte Landrat mit einer "harten Linie" durch: Eine umfangreich belegte Dienstaufsichtsbeschwerde in gleicher Sache konterte Schnur mit einem Strafantrag statt mit dem Angebot eines gemeinsamen, klärenden Gesprächs.
     Auch für den sich in seinen Rechten massiv verletzt sehenden Bürger ging es in der Hauptsache um sein Ansehen:
Sollte er, ein Akademiker mit tadellosem Ruf, hinnehmen, dass die verantwortlichen Behördenmitarbeiter ihm jede noch so gebotene Antwort verweigern, Personen, die sich wochenlang und unkontrolliert in seinem Elternhaus und auch in früher von ihm bewohnten Räumen bewegt hatten? Dass statt dessen mit Rufmord hinter den Kulissen seine Glaubwürdigkeit zerstört wird, dass er selbst wegen angeblich "falscher Verdächtigung" und "Verleumdung" kriminalisiert wird?
Auf dem Spiel stand also das Ansehen einer örtlichen Behörde, das Ansehen des örtlichen Gerichts, das die dubiosen Vorgänge wissentlich "durchgehen" ließ, das Ansehen des dienstvorgesetzten und insofern mitverantwortlichen Landrats und zuletzt das Ansehen eines normalen Odenwälder Bürgers, der sich von der ihm entgegenstehenden geballten Amtsmacht nicht einschüchtern lassen mochte.

Zerreißprobe für die Unabhängigkeit der Gewalten

Bei der Polizeidirektion Erbach oblag die Aufklärung dieser brisanten Angelegenheit der Abteilung für Zentrale Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) und hier dem schon genannten (nicht mehr lebenden) Kriminalhauptkommissar K. sowie dessen Kollegen, Kriminaloberkommissar L.
Eine heikle Aufgabe: Zum Zeitpunkt der Ermittlungen war die Polizeidirektion Erbach organisatorisch noch dem Landrat unterstellt. Der aber war in der Sache entschieden Partei. Schließlich hatte der Landrat persönlich Strafantrag gegen den beschwerdeführenden Bürger gestellt.
Konnte dieser Mann dann noch erwarten, dass die beiden Kommissare unabhängig und unvoreingenommen ermitteln würden, gegen Kollegen "im Hause" und bei dem erkennbaren Wunsch des mächtigen Landrats hinsichtlich des Verfahrensausgangs?
Und zuletzt konnte das örtliche Gericht entscheiden - in gewisser Weise ebenfalls in eigener Sache: Der beschuldigte Behördenleiter hatte das Gericht "Mittäter einer strafbaren Handlung" genannt, sollten er oder seine Kollegin sich tatsächlich strafbar gemacht haben.
Eine klassische Zerreißprobe also für die Unabhängigkeit staatlicher Institutionen und Gewalten und insofern auch für den Rechtsstaat.

Knackpunkt: Die Vernehmung der Hauptbeschuldigten

Diese Zerreißprobe sollte sich im Verlauf des Ermittlungsverfahrens vor allem an einer Frage entscheiden: Die Vernehmung der Hauptbeschuldigten.
In jedem "normalen" Strafverfahren wäre diese Vernehmung selbstverständlich und vordringlich, vor allem für die entscheidende Frage: Vorsatz oder "Versehen"? Nicht so in diesem "besonderen" Strafverfahren. Was nämlich wäre, wenn die hauptbeschuldigte Verwaltungsangestellte in unbedachter Weise ihren Vorgesetzten oder gar den zuständigen Rechtspfleger mitbelastete, wenn sich Widersprüche ergäben, wenn sich zeigen sollte, dass das Vorgehen kein Einzelfall war, sondern im Odenwald "üblich" ist?
Der Blick in die Ermittlungsakte enthüllt ein zähes Ringen um diese eine Vernehmung. Auf der einen Seite eine Staatsanwältin, die fast naiv zunächst ohne Ansehen der Person vorgeht und mehrfach die Vernehmung der hauptbeschuldigten Verwaltungsangestellten verfügt bzw. anordnet, auf der anderen Seite "Tendenzen" vor Ort bzw. "im Hause", eben diese Vernehmung unbedingt zu vermeiden. So zieht sich das Strafverfahren fast 2 Jahre hin, zum Teil monatelang stagnierend, dann wieder durch Anfragen des betroffenen Bürgers angeschoben. Es soll an dieser Stelle noch nicht gesagt werden, wer bei diesem Ringen zwischen Bürger und Bürokratie zuletzt am längeren Hebel saß.

Lebenswendungen

Doch mehr oder weniger zufällige Lebenswendungen, die sich im Verlauf des brisanten Strafverfahrens für die so oder so beteiligten Personen ergaben, seien schon einmal skizziert:
Die zunächst erstaunlich korrekt vorgehende Staatsanwältin wird den Fall ausgerechnet am kritischsten Punkt der Ermittlungen (Vernehmung der Hauptbeschuldigten) abgeben, sie wird in ein Ministerium versetzt.
Der in der brisanten Sache mehr oder weniger "eifrig" ermittelnde KOK wird zum KHK befördert, nachdem er wenige Wochen zuvor, am 11. 9. 2000, der Staatsanwaltschaft fälschlich die "Erledigung" der angeordneten Ermittlungen mitteilte.
Sein mitermittelnder älterer Kollege wird, wie schon erwähnt, im August 2001 erschossen aufgefunden.
Zufälligerweise genau einen Tag bevor eine Frankfurter Oberstaatsanwältin mit einer "gewagten" Begründung das peinlich-brisante Strafverfahren endgültig zu den Akten legt - so wie Landrat Schnur das erwartete und sich vorstellte.
Die hauptbeschuldigte Verwaltungsangestellte (erlernter Beruf: Bürokauffrau) krönt ihre erstaunliche Karriere in einem wichtigen Zimmer auf der Ebene der obersten Kreisorgane.
Gegen den mitbeschuldigten Behördenleiter läuft mittlerweile ein neues Strafverfahren, diesmal wegen übler Nachrede und Verleumdung. Auch dies offenbar ein ernst zu nehmender Vorwurf, sonst wäre das wiederum seit vielen Monaten laufende Verfahren wohl schon längst eingestellt.

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