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Wetten, dass die (vermutlich fremdenfeindlichen) Brandstifter von Reichelsheim nie ermittelt werden?

Die Bewohner der Asylantenunterkunft "Wiesenmühle" kamen am 26. Mai 2002 mit dem Leben davon. Davon kommen, straffrei allerdings, könnten auch die Verantwortlichen des Brandanschlags. Die Ermittler setzen sich nämlich mit voreiligen, tendenziös scheinenden Einschätzungen dem Verdacht aus, auf dem rechten Auge blind zu sein.

Während einer gut besuchten Gedenkveranstaltung in Michelstadt (November 2003) zur "Reichspogromnacht" gab es eine Unterschriftenaktion, mit der die zuständigen Ermittlungsbehörden zu einer Stellungnahme bezüglich der fragwürdigen (und erfolglosen) "Ermittlungen" bewegt werden sollen.
Zitat: "Wir sind besorgt darüber, dass die Täter, die auch den Tod von Kindern in Kauf nahmen, weiter auf freiem Fuß sind und sich durch die erfolglos gebliebenen Ermittlungen zu neuen Anschlägen ermutigt fühlen könnten. Besorgt sind wir jedoch auch über die "geräuschlose" Abwicklung dieses Vorgangs..."
Knapp 30 Personen unterschrieben, darunter ein ehemaliger Bürgermeister der Kreisstadt Erbach und ein ehemaliger Studienleiter des Gymnasiums Michelstadt.
(Peter Bosse, der Initiator der Unterschriftenliste, überließ der Redaktion der "Odenwald-Geschichten" eine Kopie. Aus datenrechtlichen Gründen wurden die Namen der sonstigen Unterzeichner unkenntlich gemacht.)

     Ein Leserbrief im Odenwälder Echo vom 13. 7. 2002 erinnerte an den 7 Wochen zurückliegenden Brandanschlag auf eine Asylantenunterkunft bei Reichelsheim. Am 26. Mai war in dem Anwesen "Wiesenmühle" nachts gegen 4:30 Uhr zeitgleich in einer Scheune und einer leerstehenden Wohnung mit Hilfe von Brandbeschleunigern Feuer gelegt worden.
In dem erwähnten Leserbrief wird darauf hingewiesen: "Niemand ist ernsthaft verletzt worden, das hätte zur Schlafenszeit auch anders ausgehen können."
Gefährdet war das Leben von etwa 22 Personen, darunter 8 Frauen und mehrere Kinder. Der Leserbrief beschreibt, wie es in dem zwischen den Reichelsheimer Ortsteilen Beerfurth und Gersprenz gelegenen Anwesen auch heute noch ausschaut:
"Aufgebrochene Türen geben den Blick in ausgebrannte oder verwüstete Räume frei, der unangenehme Geruch liegt immer noch in der Luft, durch offene Stellen in den Dächern regnet es in die Trümmer, auf dem Hof türmen sich verbrannte Gegenstände."

Eine im Odenwald noch nicht erlebte "Welle der Gewalt"

Wie steht es nun mit den Ermittlungen, es geht immerhin um einen vielfachen Mordversuch? Allem Anschein nach nicht gut. Polizei und Staatsanwaltschaft konnten bislang keine neuen "Erkenntnisse" mitteilen.
Doch was in den Tagen kurz nach dem Anschlag von polizeilicher Seite zu hören war, riecht nicht nur nach Brand, sondern auch nach einem Skandal.
Man stelle sich das vor: Da schreibt am 31. 12. 2001 der Chefredakteur der Odenwälder Heimatzeitung (OHZ) in seinem Jahresrückblick:

"Kirmes-Schlägereien hat es auch im Odenwald schon immer gegeben. Aber eine solche Welle der Gewalt, wie sie im ersten Quartal 2001 über ihm zusammenschlug, hatte der Landstrich noch nicht erlebt."

Als Urheber dieser in der Region noch nicht erlebten Gewalt nennt Gerhard Grünewald: "Rechtsradikale Störer .... eine lose Clique ... deren Mitglieder zum Teil im Gersprenztal zu Hause sind."
Knapp 6 Monate nachdem die OHZ von einer (im Odenwald noch nicht erlebten) "Welle der Gewalt" schreibt, verantwortet u.a. von Rechtsradikalen aus dem Gersprenztal, kommt es mitten im Gersprenztal zu einem Brandanschlag auf eine Asylantenunterkunft.

Der Odenwälder an sich ist nicht fremdenfeindlich

Ungeachtet dieser wohlbekannten Gersprenztaler "Gewalt-Umstände" lässt kurz nach dem Brandanschlag ein Sprecher der Polizei - an der Grenze zur Wahrheitswidrigkeit - verlauten, dass es für eine rechtsextremistische Tat "keine Anhaltspunkte (gebe), weil wir hier nie Probleme mit Fremdenfeindlichkeit hatten".
Für eine rechtsextremistische Tat gibt es also "keine Anhaltungspunkte", weil man angeblich "hier nie Probleme" mit Rechtsradikalen hatte - auch wenn zuvor schon mal "eine noch nicht erlebte Welle der (rechtsradikalen) Gewalt" über dem Odenwald "zusammenschlug."
Ganze 5 Tage später wird aus dem haltlos, unsinnigen polizeilichen (und politischen?) Wunschdenken eine noch haltlosere "Tatsachenbehauptung", die dann das Odenwälder Echo (vormals OHZ) gedächtnisschwach und knapp titelnd ihren Lesern verbrät:

"Anschlag nicht politisch motiviert".

Da freut sich Landrat Schnur, schließlich soll sein Odenwaldkreis ein Wohlfühlkreis sein und bleiben, in dem alles bestens steht, zumindest aber "normal". Da kann natürlich auch ein Brandanschlag auf eine Asylantenunterkunft nur ein "Normalfall" sein.

Für die "Behauptung" bzw. "Meinung" vom Anschlag, der angeblich "nicht politisch motiviert" sei, werden dann allerdings "Argumente" aus dem kriminalistischen Kleinhirn vorgetragen, mit denen man allenfalls Leser überzeugen kann, die man nicht nur für dumm hält, sondern die tatsächlich auch dumm sind.
Es sei "im Umfeld der Mühle in der Vergangenheit zu kleineren Bränden gekommen", so sei etwa ein Baumstamm und ein Strohballen in Brand gesetzt worden.
Natürlich, an fast jedem bewohnten Ort gab es irgendwann "in der Vergangenheit" kleinere Brände, und sei es nur im Zusammenhang mit einem verkohlten Schnitzel, einer umgefallenen Kerze oder einem Bubenstreich.
Aber es gibt auch so etwas wie Tatprofile und Täterprofile: Und das "Profil" eines nachts um 4:30 Uhr mit Hilfe von Brandbeschleunigern gelegten Feuers, gezielt auf etwa zwei Dutzend schlafende Menschen, gleichzeitig gelegt (von mindestens zwei beteiligten Personen?) an zwei verschiedenen Stellen, dieses mörderische "Profil" hat kaum oder gar nichts mit dem "Profil" eines tagsüber (fahrlässig?) in Brand gesetzten Strohballens oder Baumstamms gemein.

Infam? Macht man leichthin die Opfer des Brandanschlags zu Verdächtigen?

Leider ist es nicht nur ein kriminalistischer Flachsinn, den man hier den Odenwäldern serviert, es könnte auch eine infamer Flachsinn sein:
Es wird nämlich (wider besseres Wissen?) suggeriert, dass die Brandstifter aus dem "Umfeld der Mühle" kommen könnten, soll heißen, aus dem Kreis der Bewohner, aus dem Kreis der Opfer des Brandanschlags.
Natürlich ist das nicht vollständig auszuschließen, doch anders als dies suggeriert wird, gibt es dafür eben keine ernsthaften Anhaltspunkte.
Im Gegenteil: Wäre dies tatsächlich der Fall, hätte man der Öffentlichkeit in den folgenden 7 Wochen vermutlich weitere, entsprechende "Erkenntnisse" mitteilen können.

Angenommen, die Brandstifter kommen aus jener rechtsradikalen (Gersprenztaler) "Clique" bzw. "Szene", die ein Jahr zuvor den Odenwald mit einer noch nicht erlebten "Welle der Gewalt" überzogen hatte und sich nun mit einer "großen Sache" ihren Nazi-Kameraden und Nazi-Hintermännern beweisen und empfehlen wollte, angenommen, die Ermittlungen verliefen tatsächlich tendenziös, angenommen, es gäbe eine (un-)ausgesprochene politische Vorgabe, den Odenwald von unguten Schlagzeilen "freizuhalten", angenommen, es würden bewusst Verdachtsmomente ignoriert bzw. übersehen, die auf den rechtsradikalen Hintergrund hindeuten, angenommen, es würden bewusst Verdachtsmomente suggeriert, die fälschlich Opfer des Brandanschlags als mögliche Täter erscheinen lassen, angenommen also, nicht nur Wunschdenken, sondern fragwürdige Absichten leiteten die Ermittlungen:
Wie müsste man unter einer solchen hypothetischen Annahme die dann und dafür Verantwortlichen bezeichnen und wie würden rechtsradikale Täter ihre scheinbar halbblinden Ermittler und Verfolger sehen?
Sie würden von frohlockenden Brandstiftern in diesem hypothetischen Fall fast schon als "Komplizen" gesehen, die trotz des mehrfachen Mordversuchs willentlich daran mitwirkten, sie, die Täter, straffrei davon kommen zu lassen.
In diesem hypothetischen Fall würden sich heutige staatliche Stellen ähnlich verhalten wie jene staatlichen Stellen (Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte), die 1938 /1939 die Brandstiftungen und die Verwüstungen von jüdischen Synagogen, Geschäften und Wohnungen straffrei ausgehen ließen.
Die Intention des Terrors würde sich bei einem rechtsradikalen Hintergrund jedenfalls ähneln: Damals "Juden raus", heute Asylanten und "Ausländer raus".
Diese hypothetische Fallschilderung sollte die Ermittler daran erinnern, wie problematisch von Wunschdenken und "Image-Sorgen" bestimmte Ermittlungen sein können.

Ein brandstiftender "Normalfall"

Denn was bedeutet es, wenn man schon auffällig kurz nach dem Brandanschlag verkündet, für einen rechtsextremistischen, für einen politischen Hintergrund gebe es angeblich "keine Anhaltspunkte"? Erweckt dies nicht den Eindruck eines völlig übereilten, eilfertigen Statements? Setzt man sich damit nicht in einen gefährlichen Zugzwang? Schließlich könnte man bei gegenteiligen Ermittlungsergebnissen am Ende blamiert dastehen. Eine ungute "Interessenlage", die objektive Ermittlungen erschwert.
Welche "nicht-politischen" Motive kommen denn bei einem nächtlichen Brandanschlag auf 22 Asylanten überhaupt in Frage? Was bedeutet es, wenn der Polizeisprecher verharmlosend behauptet, es sei bei dem Brandanschlag vielmehr von einem "Normalfall" auszugehen? Soll es ein "Normalfall" sein, wenn in einer Asylunterkunft nachts um 4:30 gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen mit Hilfe von Brandbeschleunigern Feuer gelegt wird und damit vorsätzlich das Leben von 22 Menschen in Gefahr gebracht wird?

Ein anderer Fall: Der Mordfall Kaffenberger

Leider muss man hier die zuständige Staatsanwaltschaft Darmstadt an den wenige Jahre zurückliegenden "Mordfall Kaffenberger" erinnern, einen Fall, in den nach Meinung mancher Beobachter "politisches Kalkül" hineinspielte.
In der Nacht zum 29. Juli 1995 war der 43 Jahre alte Heizungsmonteur Peter Wilhelm Kaffenberger in der Nähe von Dieburg im fahrenden Auto durch Schüsse aus einer Pump Gun getötet worden. Polizei und Staatsanwaltschaft hatten zunächst einen unschuldigen Mann für 6 Monate in Untersuchungshaft gebracht, man hatte den Unschuldigen sogar zu einem falschen "Geständnis" bewegt.
Ein Jahr nach der Tat wurde dann durch Zufall ein kriminelles Trio und dabei auch der vermutliche Mörder gefasst. Mit dabei: Ein angehender Jura-Student und der Sohn eines ranghohen, südhessischen Kommunalpolitikers. Die späteren Prozesse vor dem Landgericht Darmstadt und vor dem Amtsgericht Dieburg hinterließen bei vielen Prozessbeobachtern einen verheerenden Eindruck, auch hinsichtlich der vorausgegangenen "Ermittlungen".
In den Berichten und Überschriften des sonst eher bieder berichtenden Darmstädter Echos las man von "Beweismittelvernichtung", "Offizialdelikt", "Strafvereitelung", einer (dementierten) "Verschwörung der Polizei" - von einem "Recht mit zweierlei Maß", aus Sicht vieler Beobachter darauf abzielend, den Sohn des Politikers koste es, was es wolle, "herauszupauken" und so auch das Ansehen des einflussreichen Vaters vor noch größerem Schaden zu bewahren.