"Ich glaube, dass wir in Breuberg seit Gründung unserer Stadt den Beweis dafür angetreten haben, dass Politik zwar den Charakter verderben kann, ihn aber nicht verderben muss. "

Günter Verst, Bürgermeister von Breuberg und zugleich ein bedeutender Kopf der Odenwälder SPD, hielt am 25. 1. 2002 zu seiner erneuten Amtseinführung eine bemerkenswerte Antrittsrede mit philosophischem Anspruch


Günter Verst ist nach dem Landtagsabgeordneten Dieter Nolte und dem stellvertretenden Landrat Dr. Reuter die Nummer 3 in der Kreistagsfraktion der SPD Odenwald. Er leitet viel: im Kreistag den Haupt- und Finanzausschuss, seit 18 Jahren die Kommune Breuberg, schließlich ist er noch - "aus Liebe zu unserem Odenwald" - der Verbandsvorsteher des Müllabfuhr-Zweckverbandes (MZVO) sowie Chef des Abwasserverbandes Unterzent.
Der Festakt zu seiner neuerlichen Amtseinführung als Bürgermeister unterstrich nachhaltig die Bedeutung dieses Mannes:
"Die Veranstaltung glich eher einer Massenhuldigung" stellte die Odenwälder Heimatzeitung (OHZ) in ihrer Ausgabe vom 29.1.2002 fest.
Lobredner waren u.a. Landrat Horst Schnur und der Kreistagsvorsitzende Dieter Nolte.
Günter Verst selbst hielt eine bemerkenswerte Antrittsrede, die ob ihrer Bedeutung von der Stadt Breuberg in voller Länge im Internet angezeigt wird. Es ist zu hoffen, dass dies so bleibt, auch und gerade weil odenwald-geschichten.de diese Rede nun in besonderer Weise würdigt.

Kommunalpolitik kann fast jeder leisten. In Breuberg allerdings wurde weitaus mehr geleistet.
In einer sozial-experimentellen Längsschnittstudie, die sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte, konnten Verst und sein Team offenbar eine gesellschaftliche Frage von weitreichender und prinzipieller Bedeutung beantworten:

Verdirbt Politik den Charakter?

Erste Antwort: Ja! Politik kann den Charakter verderben.
Zweite Antwort: Sie muss es nicht.

"Den Beweis dafür angetreten haben" Verst und seine Mannen und Männinnen in Breuberg.

Spannend wären natürlich die gesammelten empirischen Daten: Welche und wieviele Charaktere wurden verdorben, welche und wieviele Charaktere blieben unverdorben, wer besass von vornherein keinen Charakter und war folglich nicht weiter zu verderben?
Spannend auch die Frage, mit welchen Methoden der "Beweis dafür angetreten" wurde. Stand im Rathaus ein Lügendetektor, mit dem kontinuierlich und systematisch die Wahrhaftigkeit der örtlichen Kommunalpolitiker getestet wurde?
Die Gratwanderung des geradlinigen Kommunalpolitikers beschreibt Verst an anderer Stelle:

Hilfe zur Alltagsbewältigung

Manchmal gibt es für ihn: "Augenblicke, in denen ich nicht nur sehen, sondern in denen ich in erster Linie ein Auge zudrücken muss".
Er nennt dies einen "bürokratischen punktuellen Ungehorsam", der "auch in diesem letzten Kapitel zu finden sein" wird.
(Anmerkung: Seine jeweiligen Amtsperioden bezeichnet Verst als die "Kapitel" eines großen Buchs.)
Wem übrigens will Verst "punktuell" nicht gehorchen? Dem Gesetz vielleicht? Alle Achtung, dazu gehört Mut!
Jedenfalls eignet sich die Ausgestaltung dieses "punktuellen Ungehorsams" mit "einem Hauch Menschlichkeit" und "Hilfe zur Alltagsbewältigung" ebenfalls als Untersuchungsgegenstand der Sozialforschung.
Um nur zwei von vielen Fragen zu nennen: Erhöht ein bestimmtes Parteibuch "punktuell" die Chancen für "Hilfen zur Alltagsbewältigung" und einen "Hauch Menschlichkeit"?
Und kann man in kalten Zeiten wie diesen für einen "Hauch Menschlichkeit" noch Dank erwarten?
Immerhin: Wie das Odenwälder Echo berichtete, wurde er anlässlich seiner Amtseinführung "mit Lob überschüttet".

Fürst oder Diener?

Seine eigene Rolle sieht Verst, ein Mann "ohne Egoismus und Selbstgefälligkeit", bescheiden: Ebenso wie in seinen "seitherigen Einführungsreden" erinnerte er an Friedrich den Großen und seinen Satz:

"Der Fürst ist der erste Diener seines Staates".

"In Anlehnung" an dieses Zitat schließt Verst seine voluminöse Rede mit den Worten: "Lassen Sie mich Ihr erster Diener unserer Stadt sein, Diener nicht im Sinne von Unterwürfigkeit und ohne Selbstwertgefühl, lassen Sie mich vielmehr Diener sein, im Sinne von vorausschauendem selbstbewusstem Handeln."
Hat irgendjemand je erwartet, dass Günter Verst seinen Bürgern mit "Unterwürfigkeit und ohne Selbstwertgefühl" begegnet? Sicher nicht. Zur Klar- und Darstellung seiner Rolle und seiner Selbsteinschätzung hätte daher - im Sinne Friedrichs des Großen - ein kurzer Satz genügt:
"Lassen Sie mich weiterhin der Fürst unserer Stadt sein!"

Offenbar angeregt von der "Massenhuldigung" ergeht es Günter Verst an diesem Tag ähnlich wie Fidel Castro, er findet mit seiner Rede nur schlecht ein Ende.
"Eine spannende Frage" muss er als wirklich Letztes noch in den Raum stellen: Die Frage nach der "Thronfolge". Diese Frage will und kann er noch nicht beantworten: "Erst ganz zum Ende dieses letzten Kapitels meiner Amtszeit wird auch im Schlußsatz stehen, wer dann an meiner Stelle die Geschicke unserer Stadt als Bürgermeister oder Bürgermeisterin führen wird. Sie dürfen rätseln."

Sie dürfen rätseln oder wir dürfen rätseln? Welch ein Glück für die Breuberger, dass sie einen demoskopischen Hellseher als Bürgermeister haben, der selbst nicht über den Wählerwillen in 6 Jahren rätseln muss. Der es vielleicht schon heute weiß. Und welch ein Glück für die Breuberger, dass sie immerhin über den Nachfolger rätseln dürfen, während womöglich in den Hinterzimmern der kommunalen Macht dieser Nachfolger (von Verst?) bestimmt werden darf. Demokratie at its best!

Wehmut beim letzten Amtsantritt

Dass er irgendwann, nach seinem "festen Willen" erst nach genau 6 Jahren, das Zepter aus der Hand geben muss, erfüllt Günter Verst schon jetzt mit einem "Hauch Wehmut". Weil dann, in 6 Jahren, der "Schlußsatz lauten wird und muß: 'Das war's. Deine Zeit als Bürgermeister ist vorbei.' "

Ein wirklich bitteres Los, nach 24 Jahren, da weht und haucht man mit.
Und fühlt sich wieder, wie bei "Massenhuldigung" und langer Rede, an Fidel Castro erinnert: Denn auch der Maximo Lider muss ja eines Tages mit einem "Hauch Wehmut" abtreten, nach viel mehr als 24 Jahren.
Was mag es erst für Gerhard Schröder bedeuten, wenn er womöglich schon in einigen Monaten mit einem Hauch Wehmut sagen muss:
'Das war's. Deine Zeit als Kanzler ist vorbei.'








 
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