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Horst Wessel, Schöpfer der NS-Nationalhymne, war Namenspatron für vieles und viele
- auch für den Odenwälder Landrat Horst Schnur? Wer seinem Sohn auch noch in den letzten Jahren des NS-Regimes den Namen Horst gab, legte nach Meinung mancher Historiker und Sprachforscher zumeist ein "ideologisches Bekenntnis" ab. Horst Schnur erinnert selbst auf einer Seite von www.odenwald.de an seinen in Stalingrad gefallenen Vater - und daran, wie sehr auch seine eigene Geschichte bzw. die seiner Familie mit der Katastrophe des NS-Regimes verschränkt war - nicht anders als bei Millionen anderer Familien.
Der Historiker Manfred Gailus erinnert in der aktuellen Ausgabe der Hamburger ZEIT an den "Märtyrer" der Nazis:
>Wer war dieser junge Dichter, der nun zu den „Großen Deutschen“ zählte, dessen Lebensgeschichte in etlichen Büchern und im Film verklärend erzählt wurde und nach dem Plätze, Straßen, Krankenhäuser, ein großer Berliner Stadtbezirk, ein Segelschulschiff, ein Jagdgeschwader der Luftwaffe und anderes mehr benannt wurden?...
Goebbels, der ihn persönlich gut kannte, erfasste sofort den hohen Wert gerade dieses Toten für die „Bewegung“. In seinem Nachruf Bis zur Neige vom 6. März stilisiert er das Schicksal des Pfarrerssohns zu einem modernen Leben Jesu, zur Passionsgeschichte eines deutschen Messias. Daneben klingt auch das germanische Siegfried-Motiv an, der heimtückische Verrat am Helden durch die (angeblich kommunistische) Zimmerwirtin. Wessel entspricht weithin seinen imaginierten deutschen Heldenbildern und Erlösererwartungen. Goebbels sieht in Wessel einen „Christussozialisten“, die reale Verkörperung des Helden aus seinem eigenen Roman Michael (1929). Wessel habe „den Kelch der Schmerzen bis zur Neige getrunken. Er ließ ihn nicht an sich vorübergehen, er nahm ihn willig und voll Hingabe. Dies Leiden trinke ich meinem Vaterland! Hebt ihn hoch, den Toten, und zeigt ihn allem Volk. Und ruft und ruft: Sehet, welch ein Mensch! Werdet nicht müde, auf ihn zu zeigen! Tragt ihn, wo ihr geht und steht, über euren Häuptern, und fragt man euch, wer dieser Tote sei, dann gebt zur Antwort: Deutschland! Es steht ein anderes Deutschland auf. Ein junges, ein neues! Wir tragen es schon in uns und über uns. Der Tote, der mit uns ist, hebt seine müde Hand und weist in dämmernde Ferne: Über Gräber vorwärts! Am Ende liegt Deutschland!“ Nicht nur in der NSDAP, auch in der evangelischen Kirche reklamierten viele Horst Wessel als neuen Helden. Man war stolz auf den Spross des Pfarrhauses. Mutter und Schwester fingen an, berühmt zu werden. Sie hatten, aus ihrer Sicht, den Sohn, den Bruder, hingegeben für die nationale Bewegung. Anlässlich der Beisetzung überließen die Mutter und die Kirchengemeinde St. Nikolai der NSDAP die Zeremonie sowie das Friedhofsgelände für eine politische Inszenierung, die Goebbels zu Propagandazwecken filmen ließ. Am Grab sprachen Pfarrer und Parteiredner. Mutter und Schwester saßen bei Gedenkveranstaltungen fortan in der ersten Reihe. Um ihre heroische Opferhaltung zu bekräftigen, traten beide 1934 in die NSDAP ein. Sie pflegten exklusiven Umgang mit NS-Größen wie Goebbels, Göring, Himmler, auch Hltler.< Quelle: zeit.de
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