Landrat Horst Schnur und eine Bürgerin, die sich in ihrer Intimsphäre verletzt sieht



Um dies vorweg zu sagen: Es geht in keinerlei Weise um eine unstatthafte körperliche Annäherung, in dieser Hinsicht ist Horst Schnur und der von ihm geführten Verwaltung kein Vorwurf zu machen. Worum es geht ist vielmehr ein zweifelhafter "hoheitlicher" Einblick in die Privatsphäre bzw. Intimsphäre von Bürgern.

"Die Intimsphäre umfasst die innere Gedanken- und Gefühlswelt mit ihren äußeren Erscheinungsformen wie vertraulichen Briefen, Tagebuchaufzeichnungen sowie die Angelegenheiten, für die ihrer Natur nach Anspruch auf Geheimhaltung besteht, wie z.B. der Gesundheitszustand."


(Auszug aus dem Beschwerdeschreiben einer Odenwälder Anwältin an das LG Darmstadt)

Mit diesen Worten umreißt eine Odenwälder Rechtsanwältin in einem Beschwerdeschreiben vom 17. April 2002 an das Landgericht Darmstadt, was sie unter der Intimsphäre ihrer Mandantin versteht.

Sphären und das Recht auf Geheimhaltung

Sie bezieht sich dabei auf die sogenannten "Sphärentheorie" des Bundesverfassungsgerichts, das um den im Prinzip unantastbaren Persönlichkeitskern verschiedene Sphären mit abgestufter Schutzintensität gelagert sieht.
Dabei wird die Intimsphäre vielfach mit dem (unantastbaren) Persönlichkeitskern gleichgesetzt.
Geschützt werden soll durch das Persönlichkeitsrecht aber auch die vom Persönlichkeitskern weiter entfernte Privatsphäre, in der Eingriffe nur durch überwiegende Interessen der Allgemeinheit und unter strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gerechtfertigt sein können.
In die Sozialsphäre darf schließlich unter weniger strengen Voraussetzungen eingegriffen werden. Nur für die von vornherein der Öffentlichkeit zugekehrte Öffentlichkeitssphäre besteht grundsätzlich kein Geheimhaltungsschutz. (s. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Staatsrecht II, 16. Auflage 2000, Rdnr. 610ff.; Manssen, Grundrechte, 2000, Rdnr. 376ff. )
In ihrem Beschwerdeschreiben an das Landgericht Darmstadt nennt die Anwältin explizit "psychiatrische Gutachten", für die als Teil der Intimsphäre ein "Anspruch auf Geheimhaltung" bestehe. Verletzt sieht ihre Mandantin nun ihr Persönlichkeitsrecht bzw. ihre Intimsphäre durch eine von ihr nicht gewünschte Einsicht Dritter in eine sie betreffende Betreuungsakte.

Fallstrick Betreuung

Die körperlich gesunde und intelligente Frau stand vorübergehend aufgrund einer seelischen Krise unter der (überaus fragwürdigen und rechtlich womöglich nicht gebotenen bzw. unzulässigen) "Betreuung" der dem Landratsamt zugehörigen Betreuungsbehörde. Sowohl bei der Behörde als auch beim Vormundschaftsgericht wurden dazu separat Akten angelegt, in denen sich u.a. die von der Anwältin erwähnten vertraulichen Briefe, psychiatrische Gutachten, aber auch die Familie (mit-) betreffende Sozialberichte, (vertrauliche) Briefe von Familienangehörigen und sogar Informationen auch über deren Vermögen sammelten.
Dezidiert stellt die Anwältin gegenüber dem LG Darmstadt am 17. 4. 02 fest:
"Die Beschwerdeführerin hat keine Einwilligung zur Weitergabe dieser Informationen gegeben."


Vertraulichkeits-Gau

Zu diesem Zeitpunkt war jedoch der "Vertraulichkeits-Gau" bereits geschehen. Die so privat-familiäre Angelegenheit, Informationen und vermutlich auch die Akte der Frau war schon im November 1998 mit Landrat Schnur (SPD) ausgerechnet dem am Ort mächtigsten und einflussreichsten Mann "vorgelegt" worden. Für einen langjährigen Arzt der Frau ein völlig unverständlicher und missbilligter Vorgang.



Das von Schnur erwähnte Schreiben war mitnichten an ihn gerichtet. Gerichtet war das Schreiben vielmehr ausschließlich an den Leiter der Betreuungsbehörde, der in dieser Sache jedoch nicht ein einziges Schreiben und nicht eine einzige Frage beantworten wollte.

Mit Sicherheit lag Schnur die Akte dann 1 ½ Jahre später vor. Aus einem von Schnur im Juni 2000 unterzeichneten Schreiben geht hervor, dass er anscheinend 161 Blatt dieser Akte eingesehen hatte, außerdem leitete er die Akte weiteren Personen bzw. Institutionen (außerhalb der Betreuungsbehörde) zu - obwohl diese die Akte überhaupt nicht erbeten hatten!
All das ohne Wissen und ohne Einwilligung der betroffenen Frau. Auf diese Weise wurde das, was die Frau für ihre "Intimsphäre" hält, zum "offenen Buch" für ein halbes Dutzend gänzlich fremder Personen, bis hin zum Landrat - keiner davon ein Arzt oder Therapeut.

Akteneinsicht: Wo ist die Grenze?

Was, wenn es sich hier (auch) um eine private Familienangelegenheit etwa des Schnur-Herausforderers Dr. Arno Zips (CDU) gehandelt hätte? Oder des Erbacher Bürgermeisters Buschmann, oder des Michelstädter Bürgermeisters Ruhr?
Man muss nicht (lokal) prominent sein oder in innerparteilicher oder außerparteilicher politischer Konkurrenz (CDU, FDP, Grüne) mit Landrat Schnur stehen, um Unbehagen zu empfinden, wenn höchst private bzw. intime und familiäre Informationen, Briefe, Gutachten, Sozialberichte oder Ähnliches auf dem Tisch des Landrats landen - seien es psychiatrische Gutachten zu einer betreuten Mutter oder Schwester oder seien es vertrauliche Briefe, die man als Angehöriger einer betreuten Person den (Hintergrund-) Informationen benötigenden Betreuern in gutem Glauben schreibt.
Wer wird - als betreute Person oder als Familienangehöriger - noch "Betreuern" vertrauen, wenn er fürchten muss, dass intime oder familiäre Angelegenheiten an das Ohr auch des Landrats (und weiterer fremder Personen) dringen?

War der unmittelbar vorgesetzte Leiter der Abteilung Gesundheitswesen übergangen worden?

Verantwortlich für den skandalösen Vorgang war vor allem der umstrittene Leiter der Betreuungsbehörde, der im November 1998 ohne nachvollziehbaren Grund die so private Angelegenheit dem Landrat vorgelegt hatte. Dabei sollte bereits die Verwaltungsgliederung sein Vorgehen verbieten. Denn nicht ohne Grund ist die Betreuungsbehörde unmittelbar der Abteilung Gesundheitswesen unterstellt, geleitet wird diese Abteilung heute von dem Mediziner Dr. Ulrich Falk. Wenn der Leiter der Betreuungsbehörde überhaupt die Angelegenheit einem Vorgesetzten vorlegen musste (statt einfach das nur an ihn selbst gerichtete Schreiben zu beantworten), warum legte er sie dann nicht dem ihm unmittelbar vorgesetzten Leiter der Abteilung Gesundheitswesen vor, einem Arzt?
Und umgekehrt: Warum ließ sich der Landrat diese so private bzw. familiäre Angelegenheit überhaupt vorlegen und verwies seinen Mitarbeiter nicht umgehend an den offenbar übergangenen Abteilungsleiter? Entsteht so Herrschaftswissen?

Das Verhalten des Landrats mag formell korrekt sein, doch es bleibt ein überaus unguter Beigeschmack.
Die durch die ungewollte Akteneinsicht sich in ihrer Intimsphäre verletzt fühlende Frau mag ja ähnlich empfinden wie eine junge Schülerin, deren Klassenlehrer auf einem Klassenausflug auch einmal einen Blick in die Mädchendusche wirft: Es muss keine körperliche Annäherung stattfinden, um sich durch einen fremden Blick bzw. eine fremde Einsicht nackt und bloßgestellt zu fühlen.

Unter Strafe: Wenn ein Amtsträger unbefugt Privatgeheimnisse verletzt bzw. offenbart

In § 203 des Strafgesetzbuches wird die Verletzung von Privatgeheimnissen unter Strafe gestellt
So heißt es dort:

"Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis ... offenbart, das ihm als Amtsträger ... anvertraut oder sonst bekannt geworden ist" wird "mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft".

Möglicherweise ist auch dies (unter den Bedingungen eines "Odenwälder Landrechts"?) graue Theorie.
Denn sowohl der Behördenleiter als auch Schnur selbst haben möglicherweise ganz zum persönlichen Lebensbereich gehörende Informationen aus der erwähnten Akte, Informationen, die ihnen als Amtsträger offenbart bzw. bekannt wurde, auch unbefugten (Privat-)Personen mitgeteilt - vielleicht sogar noch böswillig verfälscht.

So versuchte sich der Behördenleiter (SPD) gegenüber einem in einer kirchlichen Organisation tätigen Mann in einer mehr oder weniger verklausulierten psychiatrischen "Diagnose" eines Familienangehörigen der betreuten Frau.
Gegenüber der Staatsanwaltschaft berief er sich dazu auf eben jene Akte, über die er laut § 203 StGB doch unter Strafe unbefugten, dritten (Privat-) Personen nichts offenbaren darf - auch dann nicht, wenn sie in kirchlichen Organisationen tätig sind.
Er habe sich (nahezu ausschließlich) aufgrund von Blättern dieser Akte eine "Meinung" über den Familienangehörigen gebildet, die er doch "vertraulich behandelt" und "persönlich gesandt" auch einer Person außerhalb der Behörde(n) mitteilen könne. Er habe ja keine "öffentliche" (!) Herabwürdigung beabsichtigt - also wohl nur eine Herabwürdigung ganz "vertraulich" und "persönlich".

Pech für den psychologisch unqualifizierten Behördenleiter: Der in das perfide "Vertrauen" des Behördenleiters gezogene Mann nannte dessen "Meinungsäußerung" schlicht und einfach "Rufmord".
Und nochmals Pech für den Verwaltungsangestellten:
Eine tatsächlich qualifizierte Diplom-Psychologin, seit langem und gut befreundet mit dem Familienangehörigen, nannte die ihr schriftlich zu Augen gekommene "Meinungsäußerung" des Erbacher Verwaltungangestellten eine "bizarr verfälschte Charakterisierung", der ihr bekannte Familienangehörige sei "das genaue Gegenteil des Bildes", das der dubios agierende Behördenleiter von ihm gezeichnet habe. Tatsächlich ist auch in anderer Sache von dem Behördenleiter bekannt, dass er lügt.

Neben dem Pfarrer hatte der Behördenleiter seine aus der Akte gewonnene "Meinung" über den Familienangehörigen der Betreuten noch mindestens zwei weiteren (Privat-) Personen "vertraulich" und "persönlich" gesteckt, darunter auch einem (überhaupt nicht amtlichen) Kommunalpolitiker.

Das Ermittlungsverfahren gegen Landrat Horst Schnur

Ähnliches tat auch Landrat Schnur: Auch er plauderte gegenüber einem (oppositionellen) Kommunalpolitiker in einem abendlichen Telefonat angebliche Interna über den Familienangehörigen aus.
"Interna", die er anscheinend als Amtsträger aus der ihm vorgelegten Akte und aus den (bizarr verfälschten) "Charakterisierungen" seines Behördenleiters glaubte, erfahren zu haben.
Darunter auch angebliche Interna zu Vermögen, Beschäftigung und Gesundheit.
Der von Schnur ins seltsame Vertrauen gezogene Oppositionspolitiker, bis dahin noch mit einem gewissen Glauben an "normale" Rechtsverhältnisse im Odenwald gesegnet, wusste nach dem Telefonat nicht mehr recht, wo er eigentlich lebte. Auf jeden Fall nach 1984 und nach "Big Brother". Der Mann, über den Schnur sich in skandalöser Weise ausgelassen hatte, richtete anschließend ein Schreiben an den Landrat mit der Bitte um Stellungnahme: Schnur mochte nicht antworten und mochte nicht dementieren.

So läuft nun auch gegen den "Kartoffelkönig" ein Ermittlungsverfahren, u.a. soll er in dem erwähnten Telefonat auch eine offenkundig unwahre, der Verleumdung dienende Aussage gemacht haben.
Der Ausgang des Verfahrens steht jedoch für einige "Kenner" der (südhessischen) Justiz von vornherein fest: Der Landrat des Odenwaldkreises wird nie und nimmer auf der Anklagebank des Amtsgerichtes Michelstadt sitzen. (Volksmund: "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. ")
Insofern wären solche Strafverfahren nur ein (für den Steuerzahler teurer) Kulissenzauber, dazu dienend, den Anschein des Rechtsstaates (Gleichheitsgrundsatz pp.) zu erzeugen, obgleich allen Beteiligten zu jedem Zeitpunkt der Verfahrensausgang (Einstellung) vollauf bewusst ist.





 
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