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Theodor W. Adorno und seine sentimentale Bindung an Amorbach
entstand in seiner Kindheit:
>Schon der verhätschelte Frankfurter Junge, den Mutter und Tante täglich zur Schule begleiteten, dichtete und komponierte; vom Sportunterricht befreit und alljährlich mit einem Ferienaufenthalt im idyllischen Odenwald-Nest Amorbach belohnt, war Teddie der Paradefall eines weltfremden, manchmal gehänselten Primus. Alles schien dem Sängerinnen-Sohn aus begütertem Haus zuzufliegen. "Wie ein verkleinerter Prinzensohn" wirkte er auf seinen ersten Mentor, den 14 Jahre älteren Siegfried Kracauer, der bei der einflussreichen "Frankfurter Zeitung" Redakteur war. "An den Stuhl seiner Mutter gelehnt, beantwortete er die ihm gestellten Fragen in einem matten Ton, der den großen traurigen Augen widersprach, die unter den langen Wimpern hervorblickten." Bald sah Kracauer, wie der Gymnasiast seine scharfsichtige Sozialkritik bis in Details übernahm - ähnlich ging Jung-Wiesengrund wenig später mit seinem Philosophie-Doktorvater um und dann, 1925 in Wien, mit Alban Berg, dem Lieblingsschüler des strengen Arnold Schönberg. Selbst die raunend-marxistischen Ideen des Berliners Walter Benjamin, der wie Teddie selbst mit einem Habilitationsversuch in Frankfurt gescheitert war, sog er auf - Lernbegier und chamäleonhafte Anlehnungslust schienen sich zu decken.<
Zu seinem 100. Geburtstag erinnert sich das Nachrichtenmagazin SPIEGEL an den "Allround-Intellektuellen":
>Darum will Adornos Vaterstadt Frankfurt am Main, wo auch die Gralshüter des Theodor W. Adorno Archivs residieren, dem Verblassen seines Ruhms nun mit aller Macht Einhalt gebieten. Ein Festprogramm, wie es sonst nur der berühmteste Sohn der Stadt, Goethe, in Gang brächte, erreicht bald die heiße Phase. Symposien, Podiumsgespräche, Lesungen, Ausstellungen, die obligate Groß-Konferenz, eine Preisverleihung samt Konzert, ein "Adorno-Lerntag" und Aufführungen seiner Musikwerke: Wer dem Trubel tatsächlich entkommt, wird früher oder später am neu gestalteten Theodor-W.-Adorno-Platz im Westend landen und so vom Lokalhelden mit Weltniveau erfahren. Auf dem Buchmarkt gilt der 1969 gestorbene Denker inzwischen als Klassiker. Von einem Neudruck der "Minima Moralia", einschüchternd raffinierten "Reflexionen aus dem beschädigten Leben", wurde sein Hausverlag Suhrkamp in zwei Jahren über 15 000 Exemplare los.< Quelle: spiegel.de
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