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"Das Wichtigste ist der Schulfrieden" - Übergriffe gegen eine unbequeme Lehrerin im Stasi-Stil
Das Kölner Magazin "Stadtrevue" berichtete am 25. 7. 2002 über kaum glaubliche staatliche Übergriffe gegen eine unbequeme Lehrerin - die man weniger im SPD-regierten Köln bzw. Nordrhein Westfalen für möglich gehalten hätte sondern mehr in Mielkes dahingeschiedener Stasi-DDR.
"Im Sommer 2000 zeigt eine Kölner Lehrerin Gewalttätigkeiten ihrer KollegInnen gegen SchülerInnen an. Seitdem ist die Bezirksregierung bemüht, die Frau loszuwerden. Im Juni 2002 schließlich versuchen die Behörden, in ihre Wohnung einzudringen, um sie einem Psychiater vorzuführen...Für sie hat nichts mehr seine Richtigkeit. Die 51-Jährige arbeitet seit 28 Jahren als Lehrerin, zuletzt an der Hauptschule Paul-Humburg-Straße im nördlichen Stadtteil Longerich. Im Sommer 2000 sieht sie sich als Zeugin vom Hörensagen mit mehr oder minder schweren Gewalttätigkeiten ihrer KollegInnen gegenüber SchülerInnen konfrontiert. Diese zeigt sie Anfang September 2000 bei ihrem obersten Dienstherren, heutiger Regierungs- und ehemaliger Polizeipräsident Jürgen Roters, an. Der Bezirksregierung legt sie damals eine 30 Seiten starke Dokumentation vor, die u. a. aus Berichten von 83 betroffenen SchülerInnen und ZeugInnen besteht. »Die haben sich damals an mich gewandt, als sich herumsprach, dass ich ihnen glaube«, erzählt Angelika T. Sie protokolliert die Aussagen, die Daten, die Vorfälle – und die Namen der LehrerInnen. Die SchülerInnen erzählen von Kopfnüssen, von Schlägen in den Nacken, Boxen auf den Oberarm, »in den Schwitzkasten nehmen«. Mehrere Mädchen berichten, sie seien häufiger von einem Lehrer in der Toilette eingeschlossen worden. Angelika T. selbst hat sie dort mehrmals wieder herausgeholt... Kurz nachdem Angelika T. die Missstände zur Anzeige gebracht hat – was ihre dienstliche Pflicht war –, beginnt das, was Kurt Werner von der European Antimobbing Association eine »Hexenjagd« nennt. Die Lehrerin wird abgeordnet, sprich: einer anderen Kölner Schule zugeteilt. Der neue Schulleiter wird aufgefordert, der Bezirksregierung Bericht über die Lehrerin zu erstatten. Ihr wird angedroht, dass sie vom Dienst suspendiert wird, »sollte es Anlass zu weiteren vergleichbaren Beschwerden geben«...Auch ein halbes Dutzend Eltern stellten im Herbst 2000 Strafanzeige gegen LehrerInnen der Hauptschule Paul-Humburg-Straße. Eine von ihnen ist Karola Hamacher, die selbst als Erzieherin in einem Kindergarten arbeitet...Schulleiter Klaus Wieczorek verweigert gegenüber der StadtRevue jede Stellungnahme: »Ich habe keine Lust mehr. Ich verstecke mich jetzt einfach mal hinter meinem Dienstherrn«, sagt er und meint damit die Bezirksregierung. Die tut seit nunmehr anderthalb Jahren das Ihre, um die Vorwürfe zu den Akten legen zu können – und die unbequeme Lehrerin loszuwerden. Statt den Vorwürfen nachzugehen, ermittelt die Staatsanwaltschaft nun gegen die Klägerin selbst...und unterdrückt Dokumente...
Angelika T. wird von den Behörden und Gerichten sukzessive in die Nähe einer psychischen Erkrankung gerückt. Jemanden als krank zu bezeichnen heißt jedoch, ihn herabzusetzen. »Unter Güteabwägungen können Einzelinteressen schon mal leiden«, kommentiert August Gemünd den Vorgang, schließlich habe der »Erhalt des Schulfriedens« auf dem Spiel gestanden. Und der sei immer noch das Wichtigste." Quelle: www.stadtrevue.de
Im letzten Jahr wurde am Landgericht Darmstadt ein Lehrer rechtskräftig verurteilt, der eine Kollegin brutal vergewaltigt hatte. Der betroffenen Schule im Odenwaldkreis, in deren Räumen sich die Vergewaltigung abgespielt hatte, war nichts weniger willkommen als (erneute) schlechte Schlagzeilen. Bereits in den Jahren zuvor hatte man die wohlbekannte Alkoholabhängigkeit und fachliche Inkompetenz des betreffenden Lehrers wenn irgend möglich "unter dem Deckel" gehalten - es heißt sogar, der Lehrer sei lange Zeit von einem politisch einflußreichen Freund protegiert worden.
Nicht in diesem Odenwälder Fall aber in anderen Fällen erwächst aus dem Versuch, einen Skandal zu vermeiden bzw. zu vertuschen bei Ämtern eine regelrechte kriminelle Energie. Dann wird Recht und Gesetz fast bedenkenlos gebrochen. Verfilzte Strukturen ermöglichen, dass solche Amtsdelikte nicht verfolgt werden.
Dies scheint in Köln der Fall gewesen zu sein.
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