Ceterum censeo corruptionem esse delendam 1)
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Die "entbehrliche" Vernehmung - Ein exemplarischer Justizfall?

Wie ein zwei Jahre andauerndes Strafverfahren (Unterschlagung / Urkundenunterdrückung) gegen Mitarbeiter einer südhessischen Behörde ordnungsgemäß im Sand verläuft
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Es ist eine Erfahrung, die schon viele machten, gerade in Deutschland: Eine Behörde bzw. deren Mitarbeiter verletzen in grober Weise geltende Gesetze, vielleicht sogar am Rande der Kriminalität, doch es kommt zu keiner disziplinar- oder strafrechtlichen Ahndung.
Der hier dokumentierte Fall aus Südhessen gestattet einen fast exemplarischen Einblick in das Innerste der entsprechenden (behördlichen) Mechanismen. Es muss vermutet werden, dass in dieser Form, in Form des Krähenprinzips, tausendfach Rechtskonflikte zwischen Behörde und Bürger, zwischen Macht und Ohnmacht "gelöst" werden.
  • Erschreckend daran: Allen Amtspersonen muss in ähnlicher Situation ein ähnlicher Umgang mit Urkunden und dem Geld von Dritten zugetraut werden, privat und beruflich - sofern sie nämlich in Kenntnis der Sache das Vorgehen der hier Beschuldigten als strafrechtlich unbedenklich hinstellen.
  • Ebenso erschreckend: Die beschuldigten Amtspersonen und die Behörde haben sich bis heute mit keinem Wort für das skandalöse Vorgehen entschuldigt, weder gab es ein Wort der Reue von Seiten der Beschuldigten noch ein Wort der Rüge von Seiten des Dienstvorgesetzten. Für die entsprechende "Behördenpraxis" besteht daher hohe Wiederholungsgefahr.
  • "Normaler Ablauf": Stellt dieser Fall, der laut Behörde zunächst " ganz normal ablief", nur die Spitze eines (Odenwälder) Eisbergs dar? War das Vorgehen der Behörde üblich?
    Dass auch die SPD, gerade wenn sie jahrzehntelang dominiert, ein sehr eigenes Verhältnis zu Recht und Gesetz pflegen kann, zeigt die aktuelle Diskussion über Korruption und Vetternwirtschaft in Köln.
  • Das Besondere am Strafverfahren: Sollte in 20 Monaten "Ermittlung" nicht mindestens die Hauptbeschuldigte vernommen werden?
    In diesem für die Aufklärung so entscheidenden Punkt tat sich der örtliche Landrat Schnur mit einem erstaunlichen Ansinnen hervor. Dabei demonstrierte der gelegentlich als "Landfürst" und "Kartoffelkönig" apostrophierte Politiker, wer am Ort das Sagen hat.
Aussagegenehmigung von Dr. Reuter, Erster Kreisbeigeordneter Odenwaldkreis, 13. Juli 2000

Aussagegenehmigung von Dr. Reuter, Stellv. Landrat Odenwaldkreis

Prolog

Der Tod eines Ermittlers und andere Zufälle, Wendungen und Knackpunkte im langen Lauf eines brisanten Ermittlungsverfahrens


Chronik

  2.   6. 1997 Verheimlichte Funde - Im Nachlass und in der Wohnung eines vorher verstorbenen Mannes findet in "amtlicher Funktion" eine Mitarbeiterin von Landrat Schnur ein "kleines Vermögen" und eine erbschaftsrelevante, beweiskräftige Urkunde. Was alles in der vormaligen Wohnung seines Vaters gefunden und dann "gesichert" wurde, erfährt ein ahnungsloser, außerhalb wohnender Sohn und Erbe nur schrittweise im Lauf der folgenden Jahre - gegen erhebliche Widerstände der amtlichen Mitwisser. Bald 5 Jahre später wird der hintergangene Sohn mit Billigung "von oben" noch immer über wesentliche Umstände der damaligen Funde in seinem Elternhaus in Unkenntnis gehalten. Schnurs Schilda?
  1. 10. 1999 Strafanzeigen - Einleitung eines Strafverfahrens gegen zwei Mitarbeiter von Landrat Schnur, einen Behördenleiter und eine Verwaltungsangestellte. Dazu kommt es erst, nachdem die verantwortliche Behörde, wiederum gegen geltendes Recht, dem Hintergangenen jegliche Antwort und jegliche Klärung verweigerte, auch dies offenbar mit Billigung "von oben".
17. 11. 1999 Erste staatsanwaltliche Verfügung zur Vernehmung der Beschuldigten
(Missachtete) Frist: 1. 1. 00
  4.   2.  2000 Zweite staatsanwaltliche Verfügung zur Vernehmung der Beschuldigten
(Missachtete) Frist: 11. 3. 00
  6.   6.  2000 Dritter Anlauf zur Vernehmung der Beschuldigten. Nach mehrfachen, eindringlichen Mahnungen der Staatsanwältin und fortgesetzt missachteten Fristen ("Entschleunigungsgebot") stellt der örtliche Kommissar immerhin einen Antrag auf Aussagegenehmigung für die beiden beschuldigten Kollegen "im Haus".
14.   6.  2000 "Es war mir aber klar", und zwar von Anfang an, wem das ihr widerrechtlich zugeeignete Geld tatsächlich gehörte. Dies muss die "begünstigte" Privatperson während ihrer Beschuldigten - Vernehmung einräumen. Warum wird sie nicht gefragt, ob sie diese Art "Interessenvertretung" mit einem "Geschenk" für die Amtsperson(en) honorierte? Indirekt, wie auf Provisionsbasis, profitierten auf jeden Fall "notleidende öffentliche Kassen". Wurden auch deswegen die dreisten (üblichen?) Praktiken von involvierten Amtspersonen mit "bestem Wissen und Gewissen" ermöglicht und gedeckt?
20.   6.  2000 Landrat Schnur meldet sich persönlich zu Wort: Keine Aussagegenehmigung! Die Vernehmung seiner beschuldigten Mitarbeiter sei angeblich "entbehrlich". Spätestens jetzt trägt der Dienstvorgesetzte (Mit-)Verantwortung nicht nur für (Un-)Sitten in seiner Behörde, sondern auch für die fragliche "Aufklärung des Sachverhaltes".
12.   7.  2000 Widerspruch und vierter Anlauf: Die Staatsanwältin wagt es, dem einflussreichen Landrat zu widersprechen. Sie hält die "Vernehmung der Beschuldigten zur Aufklärung des Sachverhaltes weiterhin für erforderlich." Wird dies von Schnur gewünscht?
24.   7.  2000 Die "entbehrliche" Vernehmung erweist sich als prekäre Vernehmung. Die Hauptbeschuldigte, laut Schnur die reine "Unschuld", sagt kein Wort zur Sache, die gegen sie vorliegenden Verdachtsgründe kann sie nicht beseitigen.
Erst nach erneuter Absprache mit dem Hausjuristen will sie sich angeblich "zur Sache äußern". Ein Versprechen, das sich als falsch erweist.
10.   8.  2000 Schwere Belastung der Hauptbeschuldigten. Das ergibt sich aus der Vernehmung des mitbeschuldigten Behördenleiters. Sie habe ihm angeblich nichts von den "eigentumsrechtlichen Problemen" erzählt.
  1.   9.  2000 Wer hat wie erreicht, dass in dieser kritischen Ermittlungsphase die korrekte Staatsanwältin den Fall abgeben musste, so dass sich die von ihr mehrfach geforderte und unmittelbar ausstehende Vernehmung der Hauptbeschuldigten "erübrigt"?  Zufall? Stehen alle Staatsanwälte still, wenn ein starker Arm das will?
Am 1. 9. 2000 findet sich die letzte Aktennotiz der Staatsanwältin. Danach verschwindet sie von der Bildfläche.
11.   9.  2000 "Erledigung" der angeordneten Ermittlungen bzw. Vernehmungen meldet fälschlich der bald darauf vom KOK zum KHK beförderte "Ermittler" der Staatsanwaltschaft. Die wiederholt als erforderlich angeordnete Vernehmung der angeblich aussagebereiten Hauptbeschuldigten hat er unterlassen. Doch nach dem Abgang der korrekten Staatsanwältin juckt das nicht mehr. Die Sache schmort nun dahin.
10.   1.  2001 Schuldig! Das räumt sogar der neue Staatsanwalt in einem internen Schreiben an das Amtsgericht Michelstadt ein - gleichzeitig will er eine öffentliche Gerichtsverhandlung vermeiden.
24.   1.  2001 "Ohne Zustimmung"! So reagiert das örtliche Gericht auf den vom neuen Staatsanwalt vorgeschlagenen "Doppelpack" des § 153 StPO I: Einerseits Schuldig, andererseits Verfahrenseinstellung.
"Schuldig" hieße laut Aussage des Behördenleiters, dass das Gericht "Mittäter" bei Unterschlagung bzw. Urkundenunterdrückung gewesen wäre! Darf das sein?
Der verantwortliche Amtsrichter ("ohne Zustimmung") wird in anderer Sache bereits mit Rechtsbeugung in Verbindung gebracht.
  6.   6.  2001 Folgsam: Der neue Staatsanwalt tut, was man von ihm erwartete und stellt das Verfahren gemäß den "Vorstellungen" des örtlichen Richters (§ 170 II StPO) ein. Dieser plädierte offenbar auf fahrlässiges Handeln. Tatsächlich dokumentieren mehrere Belege, dass die Hauptbeschuldigte mit Wissen und vorsätzlichstem Vorsatz handelte.
In seiner windigen Begründung (10 Sätze) spricht der folgsame Staatsanwalt statt von "Unterschlagung" und "Urkundenunterdrückung" von einem "Sichern" (zugunsten der widerrechtlich Begünstigten).
21.   6.  2001 Dickes Ende und neue "eigentumsrechtliche Probleme"! Der die dubiosen Vorgänge entlastende Rechtspfleger wird 4 Jahre (!) später zu dem Eingeständnis gebracht, dass der Vermögenstransfer in den Banktresor der Begünstigten sogar noch weitaus umfangreicher war. Seine Ausrede: Es sei nicht seine "Aufgabe" gewesen, "die Eigentumsverhältnisse zu klären".
28.   8.  2001 Erschossen wird der in dem Fall ermittelnde Kriminalhauptkommissar in einem Waldstück aufgefunden. Selbstmord aus privaten und/oder beruflichen Gründen? Angeblich hielt er Distanz zu der am Ort seit Jahrzehnten dominierenden Partei.
29.   8.  2001 Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt bzw. eine Oberstaatsanwältin lehnt mit einer skandalösen Begründung die Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung ab. Diese Juristin wird in anderer Sache von dem Diplom-Ingenieur Hans Kopatsch mit Rechtsbeugung in Verbindung gebracht.
26. 10.  2001 Das OLG Frankfurt verwirft die Beschwerde gegen die Verfahrenseinstellung, jedoch einzig und allein auf Grund eines "Formfehlers".
21. 12.  2001 Das hessische Justizministerium prüft in gleicher Sache Dienstaufsichtsbeschwerden.
  1.   1.  2002 Der zuständige Rechtspfleger am Amtsgericht Michelstadt, vom beschuldigten Behördenleiter als "Mittäter" bezeichnet, sollte er selbst angeklagt bzw. verurteilt werden, wird "aus der Schusslinie genommen" und in eine andere Abteilung versetzt, vermutlich zu Jahresbeginn.
13.   2.  2002 Das hessische Justizministerium veranlasst nach monatelanger, sorgfältiger Prüfung "das Äußerste", was man gegen Kollegen in der Justiz so tun darf: die Staatsanwaltschaft Darmstadt wird dazu aufgefordert, ihre eigene (skandalöse) Entscheidung nochmals zu überprüfen. Würden die verantwortlichen Staatsjuristen von einem Kollegen wegen Strafvereitelung im Amt oder Rechtsbeugung angezeigt bzw. verurteilt, würde dies ihre berufliche Existenz gefährden. Muss man so weit gehen?
13.   3.  2002 Dem verantwortlichen Landrat Schnur wird von Manfred Strack, dem Herausgeber der Website justizskandale.de, angeboten, Zitat, "die in diesem Bericht geschilderten Abläufe aus Ihrer Sicht zu kommentieren." Das Angebot wird nicht aufgegriffen, eine Gegendarstellung gibt es anscheinend nicht.
  5.    4.  2002 Die Kreistagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen Odenwaldkreis richtet in der Sache eine Anfrage an Landrat Schnur und sendet 4 Tage später eine Pressemitteilung an lokale Zeitungen.
  9.    4.  2002 Landrat Horst Schnur ruft den Fraktionsgeschäftsführer der Grünen abends um 18 Uhr 30 in dessen Privatwohnung an und führt mit ihm ein ca. 30-minütiges Telefonat. Dabei droht er den Grünen Konsequenzen an, sollten sie die Sache weiter verfolgen. Die Anfrage will er nicht beantworten. Außerdem will er wissen, ob bereits eine Pressemitteilung versandt wurde. In der normalerweise gefällig berichtenden Lokalzeitung wird in den Tagen darauf die dem Landrat ungenehme Pressemitteilung offenbar nicht erwähnt.
 17.   4.  2002 Ein führender Kommunalpolitiker der FDP schreibt an der Verfasser dieser Dokumentation: "Ihre sachliche Argumentation anhand von den schriftlichen Beweisstücken stellt der Verwaltung des Odenwaldkreises und des Amtsgerichtes Michelstadt ein schlechtes Zeugnis aus! Ich hoffe, das sich die politische Situation im Odenwald in den nächsten Jahren nachhaltig ändert und sich die Abhängigkeitsverhältnisse auflösen und die Kreisverwaltung sowie das Amtsgericht Michelstadt fähigere Köpfe erhält als dies jetzt der Fall ist." Namentlich und öffentlich will er sich zu dieser Kritik offenbar nicht bekennen, möglicherweise aus Angst vor Repressalien oder Nachteilen.



Epilog

Ein Leserbrief aus der Frankfurter Rundschau vom 26.10.2001, dessen polemisch zugespitzte Kritik an der Justiz von uns nicht in allen Punkten geteilt wird.



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Letzte Aktualisierung: 14. Mai 2002